Zeitgenössische Kunst mit Witz

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„Feuerstelle“ von Jonas Hohnke: Auf den ersten Blick wirken die 15 aufeinander geschichteten Säcke mit Holzkohle irritierend. Fotos: Wolfgang Teipel

 

 

 

 

 Wolfgang Teipel

Jonas Hohnke hat in der Städtischen Galerie am Sauerfeld 15 Säcke Grillkohle kunstvoll aufgeschichtet. „Feuerstelle“ nennt er die Installation. Sie gehört zu den 15 Werken, die noch bis zum 9. Februar in der Ausstellung „Kunst jetzt! Ida-Gerhardi-Förderpreis 2013“ zu sehen sind.

Etwas verblüfft stehen die Besucher der ersten öffentlichen Führung durch die Ausstellung vor den knallig gelb-roten Holzkohlesäcken. „Man sollte das nicht unterschätzen“, sagt Dr. Susanne Conzen, Leiterin der Städtischen Galerie, zu den etwa 20 Besuchern. Zeitgenössische Kunst mit Witz? Genauso ist es.

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Dr. Susanne Conzen erläutert das Werk von Sabine Huzikiewiz.

Jonas Hohnke hinterfragt die Dinge, stellt sie in einen neuen Zusammenhang und irritiert so die Wahrnehmung des Betrachters. Dass das so gewollt ist, zeigen seine Selbstporträts im Nebenraum.

Knöllchen-Fotos

Es handelt sich um sorgfältig gerahmte Fotos. Zu sehen sind die berühmten körnigen unscharfen Schnappschüsse, die die Ordnungsbehörden gern Temposündern nach Hause schicken. Sie zeigen den Künstler, der gerade die Grenzen überschreitet, die ihm die Straßenverkehrsordnung setzt. Man versteht. So gelangt ein Temposünder in die heiligen Hallen der Kunst. 2008 begann Jonas Hohnke diese Knöllchen zu sammeln.

Spiel mit der Wahrnehmung

Die Ausstellung spielt an vielen Stellen mit der Wahrnehmung der Betrachter.  Janine Tobüren hat eine Tuschzeichnung von K.R.H. Sonderborg aus dem Jahr 1993 ins Dreidimensionale übertragen. „Keine Kopie sondern eine Art Übersetzung“, erklärt Dr. Susanne Conzen.

Grundmann

„Exact is a snake“ – ein Teil der Installation von Ida-Gerhardi-Preisträgerin Gesine Grundmann.

Für die Leiterin der Städtischen Galerie ist die Ausstellung ein gutes Beispiel für die zeitgenössische Kunst an Rhein und Ruhr. Was treibt die Maler, Bildhauer, Videoperformer und andere bildende Künstler an? Wie in allen Epochen suchen sie einen eigenen, neuen und auch zeitkritischen Zugang zu Material und Techniken. Sie wollen Betrachter irritieren, gar provozieren.

Anti-idyllische Gemälde

Das gilt für die düsteren anti-idyllischen Gemälde von Niels Sievers ebenso wie für die collagenartigen Werke von Sebastian Ludwig. Er spielt mit der Oberfläche. Manches wirkt wie aufgeklebtes Furnier. An anderen Stellen bleibt die Leinwand frei, lediglich verziert durch einige geschickt angeordnete zerlaufende Flecken.

Katalog zur Ausstellung

Zur Ausstellung ist ein Katalog (Preis: 7,80 Euro) erschienen. Er wird am Empfang des Museums verkauft. An Gestaltung und Produktion waren auch Lüdenscheider beteiligt. Der Katalog wurde bei Seltmann Printart gedruckt. Die Agentur David&Goliath übernahm die Gestaltung. Einige Fotos stammen von Steffen Schulte-Lippern.

Weitere öffentlichen Führungen: 10. November, 8. Dezember, 12. Januar und 9. Februar (Ende der Ausstellung) vorgesehen.

Die Städtische Galerie ist mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

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Ida Gerhardi – eine eigenwillige Frau

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Ida Gerhardis Tanzbilder gelten als die kraftvollsten Werke ihrer Pariser Schaffenszeit.

von Wolfgang Teipel

Der Name Ida Gerhardi hat in Westfalen und insbesondere in Lüdenscheid einen guten Klang. Wer war diese Frau, zu deren Gedenken die Sparkasse Lüdenscheid 1990 den Ida-Gerhardi-Preis gestiftet hat? Hier ein Steckbrief.

Familie: Idas Vater, der Hagener Arzt August Gerhardi, stirbt 1896. Da ist Ida gerade sieben Jahre alt. Mutter Mathilde siedelt mit Sohn Karl August und der neugeborenen Lilly nach Detmold um. Hier lebt die Familie bei Verwandten. Für Ida wird die Mutter später zum Problemfall. Sie wird depressiv und bereitet der Malerin große Sorgen. Zu ihrem Bruder hält sie immer Kontakt und zieht 1912 ins Haus seiner Familie.

Wünsche: Ida will malen und nimmt Zeichenunterricht. „Wozu die ganze Welt, wenn ich nicht malte“, sagt sie. Sie möchte nach der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff zur zweitbekanntesten Frau in Westfalen werden. Dieser Wunsch erfüllt sich nicht.

Die Frau: „Ich möchte eine Ente sein, eine Ente, die allein schwimmt“, schreibt sie einmal. Dieses Zitat ist ein Dokument für Ida Gerhardis Streben nach Unabhängigkeit. Sie wählt den Weg in die Malerei und schreibt sich 1928 an der Münchener Damenakademie für Malerei ein. Schnell wird ihr in der bayerischen Metropole langweilig. Sie will mehr, packt ihre Koffer und geht nach Paris an die Académie Colarossi. Das Studiengeld stiftet die Hagenerin Emilie Elbers – eine Freundin von Idas Mutter.

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Ida Gerhardi durchstreift mit Käthe Kollwitz (Foto) das Pariser Nachtleben.

Paris: Die französische Hauptstadt wird zum Lebensmittelpunkt der jungen Malerin. Sie lernt die deutsche Grafikerin, Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz kennen und zieht mit ihr durch die Clubs der sich mondän gebenden Halbwelt von Paris. Die junge Frau glaubt an sich. Sie ist fest davon überzeugt, dass es ihr gelingen wird, mit der Malerei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Für Männer war das damals ein Kraftakt. Für Frauen nahezu ein Unding. Immerhin: Ida malt und lernt viele Künstlerinnen und Künstler kennen. „Der Kreis, in denen ich augenblicklich verkehre ist außergewöhnlich intelligent und begabt“, hält sie fest.

Bilder: Sie malt Porträts, stimmungsvolle Landschaftsbilder, kraftvolle Szenen der Großstadt, Szenen aus den Kneipen im Pariser Künstlerviertel, Bilder von Tänzern, alle spätimpressionistisch voller Farbenpracht. Sie lässt sich dabei unter anderem von Henri de Toulouse-Lautrec inspirieren. Wie er malt sie unmittelbar vor Ort.

Erfolg: Hin und wieder Anerkennung. Aber: „Meine Geldbörse ist leer“, klagt sie oft. Ida Gerhardi kann sich auf dem von Männern dominierten Kunstmarkt nicht durchsetzen. Auch der Versuch, sich in Paris und Berlin durchzusetzen bringt sie nicht weiter. Sie organisiert Ausstellungen und pflegt Kontakt zum populärsten Kunstmäzen jener Zeit, dem Hagener Karl Ernst Osthaus.

Ihr Leben: Ida  Gerhardi war eine mutige Frau, die sich voller Kraft ins Leben stürzte. Paris hat sie genossen. Sie wetterte aus sicherer Entfernung gegen die reaktionäre Kulturpolitik in der Kaiserzeit und gegen die Ja-Sager, die damals das Ruder übernommen hatten. „Bei uns ist man ja geradezu servil. Man wird nicht Professor, wenn man nicht tut, was der Kaiser will“, schreibt sie einmal. Später wird sie ruhiger und legt beinahe konservative Züge an den Tag. Ihren jüngeren Bruder Karl August warnt sie: „Sozi solltest Du aber auch nicht werden.“ Er ist Sanitätsrat in Lüdenscheid und verfasst philosophische sowie literarische Schriften.

Was bleibt: Heute schätzen Kenner ihre tiefgründigen Porträts, auch die Selbstporträts mit Brille. Ihre Tanzbilder gelten aus die aussagekräftigsten Werke aus der Pariser Schaffenszeit (Susanne Conzen/Annegret Rittmann).Für viele ist sie auch eine Pionierin der Moderne. Dafür stehen ihre Bilder. Aber auch das für die Zeit um 1900 unkonventionelle Frauenleben.